Natalia Ehwald | Klavier
Die Debut-CD Fantasias for Piano von Natalia Ehwald erscheint am 05.Mai 2016. CD-Release-Konzerte in Berlin, Paris, Mallorca, München, Jena und Göttingen.
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„Bei Natalia Ehwald gleicht Klavierspielen, man darf das wohl so sagen, einer Religion: ihr Spiel ist keineswegs hingekünstelt, sondern entspringt vielmehr einer glaubhaften, bestürzenden Empfindungstiefe.“ – Der Tagesspiegel

Hörbeispiele

Die neue CD mit Werken von Schubert und Schumann

Pressestimmen zur Debut-CD "Fantasias for Piano" mit Schuberts G-Dur Sonate und Schumanns Kreisleriana:

 

„Es ist eine außerordentlich fesselnde Kombination dieser zwei Meisterwerke und die deutsche Pianistin Natalia Ehwald spielt mit großer Wärme und Tiefgang.“ _Fanfare

„admirable (...) De obligado conocimiento." - "Bewundernswert (...) Mit absoluter Empfehlung.“ __Scherzo

„Es ist bemerkenswert, wie die Pianistin zugleich mit Gelassenheit und doch straff an die Meisterwerke herangeht.“  _Piano News

„Sowohl tonlich-sinnlich als auch geistig-interpretatorisch kann sich Natalia Ehwalds Deutung somit mit der seinerzeit epochalen Einspielung Grigory Sokolovs von 1992 messen. Das ist für ein CD-Debüt alles andere als schlecht: Chapeau!“ _CD der Woche auf Klassik-Heute

„Nichts Knalliges gibt es in diesem Spiel, das zwar den virtuosen Passagen nichts schuldig bleibt, aber deutlich seine Stärken in der introvertierten, melancholischen Materie hat. Dabei kommt das Dämonische sehr differenziert, das Poetische sehr stark zum Ausdruck.“ _Pizzicato

„Admirable.“ _Artamag

„Un superbe disque !“ _L'éducation musicale

Natalia Ehwald im Gespräch

? Sie haben auf dieser CD mit Schumanns frühem Geniestreich Kreisleriana und Schuberts G-Dur Sonate zwei sehr unter­schiedliche Werke gegenübergestellt. Warum?

Natalia Ehwald: Auf den ersten Blick mögen diese beiden Stücke völlig verschieden erscheinen: die Kreisleriana stürmisch und leidenschaftlich, der Schubert verinnerlicht, introvertiert und melancholisch. Beiden Stücken ist aber etwas Grenz­über­schreitendes eigen, sowohl formal als auch in ihrer ungeheuren Ausdruckskraft. Beide sprechen eine ähnliche Sprache, beispiels­weise im sechsten Stück der Kreisleriana und im zweiten Satz der Sonate. Und in beiden Werken begegnen uns diese für die Komponisten so typischen innigen, scheinbar einfachen Melodien – quasi „im Volkston“, wie es bei Schumann an anderer Stelle auch heißt.

? Was bedeuten Ihnen diese Werke?

NE: Als ich die Kreisleriana zum ersten Mal hörte, hatte ich eine Art „Erweckungserlebnis“. Seitdem hat mich dieses Stück immer begleitet und mir über manche schwere Lebensphase geholfen. Die intensive Beschäftigung mit der Kreisleriana hat auch dazu geführt, dass ich den einzigartigen Kosmos von E. T. A. Hoffmann kennengelernt habe und zeitweise regelrecht besessen davon war.

? Kann man dieses Werk auch ohne die Geschichte des ebenso begabten wie verrückten Kapellmeisters Kreisler begreifen?

NE: Ja, sicher. Schumann hat den Stücken ohnehin erst nach­träglich diesen Titel gegeben, auch wenn er fast schon auf der Hand lag: Wie der von Hoffmann beschriebene Charakter Johannes Kreislers sind auch die Stimmungen in der Kreisleriana sehr sprunghaft, wechseln plötzlich und abrupt von einem Extrem ins andere. Für mich ist diese Musik fast ein wenig schizophren.

? Nichtsdestotrotz beschreibt das Werk aber nicht nur das Seelenleben einer fiktiven Person, sondern auch das des Komponisten selbst.

NE: Schumann hat die Stücke in einer für ihn sehr bewegten Zeit geschrieben. Clara Wieck, seine heimliche Verlobte, stand noch ganz unter dem Einfluss ihres Vaters. Dieser hatte nicht nur Sorge um ihr „Seelenheil“, sondern auch Bedenken, was diese Verbindung für die Karriere seiner Tochter bedeuten würde. Deshalb unternahm er alles, um sie von Schumann fernzuhalten. Unzählige Briefe gingen heimlich zwischen den Liebenden hin und her. In einem schreibt Schumann: „Drei wundervolle Frühlingstage zugebracht, in Erwartung auf einen Brief – und dann die Kreisleriana gemacht in vier Tagen, – ganz neue Welten tun sich mir auf.“ Für Schumann war es ein stetiges Bangen und Hoffen, Glück und Leid, das ganz autobiografisch Eingang in die Kreisleriana findet, ebenso wie seine beiden Alter Ego Florestan und Eusebius. Auch formal ist es das vielleicht modernste Stück, das Schumann komponiert hat: ungeheuer komplex im Klaviersatz und technisch überaus anspruchsvoll.

? Welche Verbindung haben Sie zu anderen Kompositionen von Schumann?

NE: Er ist ein Komponist, dessen Musik mir besonders am Herzen liegt. Nicht nur seine Klavierwerke, auch die Kammermusik und Sinfonien liebe ich sehr. Und von seinen wunderbaren Liedern habe ich viele gespielt. Als Pianist wird man ganz automatisch mit Schumanns Album für die Jugend op. 68 groß, später kommen dann die Phantasiestücke, die Abegg-Variationen, Papillons und andere dazu. Manche dieser Werke spiele ich seit mehr als 20 Jahren, aber die Spontanität, der Einfallsreichtum und leiden­schaftliche Überschwang begeistern mich immer wieder aufs Neue.

? Im Gegensatz dazu ist Franz Schubert eher ein Komponist, den man sich erst erarbeiten muss.

NE: Je länger ich mich mit Schuberts Werken, egal welcher Gattung, beschäftige, umso größer wird meine Bewunderung und auch Liebe zu ihnen. Vielleicht klingt es etwas pathetisch, aber Schubert hat wie kein anderer Zugang zur menschlichen Seele gefunden. Er rührt an das Unausprechliche – mit manchmal ganz einfachen Mitteln. Es kommt der Punkt, da begreift man in Schuberts Musik seinen Ausspruch: „Ich kenne keine heitere Musik.“ Dazu braucht es auch eine gewisse Lebenserfahrung. Ich habe erst mit Anfang zwanzig zu seiner Musik gefunden, vor allem Sviatoslav Richters Interpretation der großen B-Dur Sonate hat mir diesen Kosmos eröffnet. Man muss lernen, genau hinzuhören und unter die scheinbar harmlose Oberfläche zu blicken. Es ist eine nie endende Aufgabe. Auf der Suche nach dem vielbeschworenen „Schubert-Ton“ ist man wohl sein Leben lang.

? Was genau macht Schuberts Werke und die Suche nach dem „Schubert-Ton“ zur Lebensaufgabe?

NE: Ein Grund dafür sind nicht zuletzt die sogenannten „himmlischen Längen“, die vor allem die späten Werke Schuberts kennzeichnen. Darin unterscheidet sich die G-Dur Sonate deutlich von dem kleinteiligen Aufbau der Kreisleriana. Gerade in dieser Sonate findet eine fast schon extreme Ausdehnung der Längen statt. Der erste Satz, auch Fantasie genannt, ist wie eine immerwährende Meditation. Als Interpret muss man erst einmal lernen, mit dieser Ausdehnung fertig zu werden. Das erfordert Geduld, ein besonderes Empfinden von Zeit und auch den Mut, Zeit zuzulassen. Das beginnt eigentlich schon beim ersten Ton. Man braucht, im übertragenen Sinne, einen langen Atem. Schumann schätzte übrigens diese Sonate sehr und bezeichnete sie als Schuberts „vollendetste in Form und Geist“.

? Interessant ist, dass beide Komponisten zum Entstehungs­zeit­punkt der Werke ungefähr gleich alt waren, Schumann 28 Jahre und Schubert 29. Befanden sie sich auch in ähnlichen Schaffensperioden?

NE: Nein, in ganz unterschiedlichen: Die Kreisleriana sind ein frühes Opus Schumanns, ganz durchdrungen von jugendlichem Schaffensrausch und geprägt von einem neuen, wild-romantischen Tonfall. Schubert dagegen hatte 1826 noch zwei Jahre zu leben und konnte schon damals auf ein riesiges Werk zurückblicken. Die Sonate wird zwar zu seinem mittleren Klavierzyklus gezählt, aber der Geist der drei späten Sonaten aus seinem Todesjahr ist auch hier schon zu spüren.

? Sviatoslav Richter haben Sie als wichtigen künstlerischen Impuls erwähnt. Gibt es andere Pianisten, die sie besonders beeinflusst haben?

NE: An erster Stelle steht für mich mein langjähriger Professor und Mentor Evgeni Koroliov. Er, der wie Richter aus der Schule von Heinrich Neuhaus kommt, hat zu seinen Schülern nie vom Klavierspielen, immer nur vom Musizieren, gesprochen. Damit und mit seinem von allergrößter Bescheidenheit und Kunstfertigkeit geprägten Spiel hat er auf sehr sanfte, aber umso eindringlichere Art Einfluss genommen. Vielleicht sogar mehr auf meinen musikalischen Geschmack als auf den persönlichen Stil. Er hat mich gelehrt, Musik natürlich und ehrlich sprechen zu lassen, sich selbst als „Interpreten“ nicht in den Vordergrund zu stellen. Ist die Liebe zu der Musik, die man spielt, sehr groß, fällt das wesentlich leichter.

Das Gespräch führte Nora Gohlke.